Fips Dillmann Abenteuer, Folge 11

Liebe Freunde der Blazer-Kultur!

In Erfüllung einer Ehrenpflicht sehe ich, der Leiter des Fips-Dillmann-Archivs Weimar, mich gezwungen, eine bislang unveröffentlichte Dillmann-Episode ans Licht der Öffentlichkeit zu zerren, an deren Echtheit - und das sei hier nicht verschwiegen - allerdings erhebliche, wenngleich leider nicht berechtigte Zweifel bestehen.

Ich möchte ausdrücklich darauf hinweisen, daß diese Episode inoffiziellen Charaklter trägt und daher lediglich zu Studien- bzw. Repräsentationszwecken benutzt werden darf. Sie wendet sich ausschließlich an Träger von Klubjacken (und wahrscheinlich nicht einmal an diese).

Es ist insbesondere polizeilich verboten, sie ohne Genehmigung des Autors als Stimulans beim Geschlechtsakt zu verwenden.

*** Das Goldene Herz ***

Teil 11: Abschied von Fips Dillmann

Fips Dillmann, der strahlende, gutaussehende Zwillingsbruder von Heinz Dillmann, wirkte trotz seiner erst 37 Jahre schon beinahe wie ein erwachsener Mann. Unverhohlen hingen die Blicke der jungen Mädchen an ihm, wenn er - wie jeden Morgen - seinen braungebrannten Körper striegelte, hie und da ein lästiges Härchen zwischen den Zehen entfernend.

Schwere, dumpfe Regenbrocken, die wie entsetzliche Fleischklöße auf die Trauergemeinde niedergingen, hatten den sonst so malerisch anmutenden Luisenfriedhof in eine Schlammwüste verwandelt und verliehen dem Anlaß eine festliche, ja beinahe schon eine traurige Note. "Verehrte Hinterbliebene", begann der Redner, noch in jenes feierliche Leuchtorange gekleidet, das ihn als Angehörigen der Stadtreinigung und somit als Fachmann für Entsorgungsfragen auswies, "wir haben einen guten Freund verloren, der nicht nur eine schöne Seele, sondern auch einen schönen Leib besaß." An dieser Stelle konnte sich Ilse, die älteste, waghalsigste und verständigste unter den Schwesternschülerinnen, die Fips Dillmann zu ihrem Abgott erkoren hatten, eines Aufschluchzens nicht länger enthalten. "Dieser Leib liegt nun blau angelaufen und aufgequollen im Sarg", fuhr der Redner, der bemüht war, die Situation durch diesen improvisierten kleinen Scherz zu entkrampfen und der Versammlung eine insgesamt tröstlich- heitere Note zu geben, fort.

"Anders als Sie alle besaß dieser warmherzige, wundervolle Mensch ein Höchstmaß von Feingefühl; er wird uns als stetes Vorbild an Takt und Vergeistigung für immer im Gedächtnis bleiben. Unsere Anteilnahme gilt in erster Linie der Familie und den Hinterbliebenen, auf deren Schultern nun ein schweres moralisches Erbe lastet. Möge ihnen unser Zuspruch die Kraft geben, vor Gefühlskälte gefeit zu sein!", setzte er mit einem beschwörenden Seitenblick hinzu.

Eine alte Frau, eben noch von ihrem ungeduldig mit den Füßen scharrenden Sohn gestützt, geriet ins Straucheln, als dieser die Spannung nicht länger ertrug und zum offenen Grabe stürzte, um den schmucklosen, aber doch geschmackvollen Zinksarg, eine Leihgabe der Wasserschutzpolizei, mit einigen letzten Graffitis zu verzieren. Wie er nämlich noch von der Beisetzung seines Vaters her wußte, würde das Bomben schwierig werden, sobald die Gruft erst einmal zugeschaufelt wäre. Überhaupt fand er das Versenken der "Schüssel", wie er sich nicht nur im engsten Familienkreis ausdrückte, an Bestattungen immer am besten. Anläßlich der Beisetzung seiner Schwester, die einem Lustmörder zum Opfer gefallen war, hatte er so eindringlich auf einem Da Capo bestanden, daß man seinem Wunsch sogar mehrmals nachkommen mußte.

Die Hoffnung, daß der Sarg wie ein nasser Kartoffelsack in die Tiefe plumpsen würde, gab der hinterbliebene Zwilling, der die Pietät, wenn es denn sein mußte, nicht scheute, für heute allerdings auf, zumal er seinen schönen Bruder schon immer für einen ausgemachten Langweiler gehalten hatte. Auf diesen Gag würde er wohl über übel bis zum Begräbnis seiner Mutter warten müssen. So nahm er gefaßt in Kauf, daß die "Schüssel" wieder einmal nur sehr gemessen in die Grube glitt. "Asche zu Asche!" fuhr der Redner ergriffen fort; "Altglas zu Altglas, Plastik zu Plastik, Papier zu Papier!" ergänzte Fips Dillmann, der in Sachen Wertstoffentsorgung allerdings keinerlei Spaß verstand, halblaut und begann ein Liedchen zu pfeifen - wohl in der Erinnerung, daß letzten Samstag bei ihrer gemeinsamen Luftmatratzenpartie durch das Nichtschwimmerbecken nicht er, sondern glücklicherweise nur sein Zwillingsbruder Heinz ertrunken war, nachdem er ihm, Fips, das Leben gerettet hatte.

Neidlos und ein wenig stolz mußte er sich selbst zugestehen, seit der "Tanzschaffe", zu der ihn Ilse und die anderen Schwesternschülerinnen einmal in die Bruno-Leuschner-Schule eingeladen hatten, in puncto Sprache und Umgangsformen der heutigen Jugend einiges hinzugelernt zu haben. Diese neue Kunst wollte er gleich noch einmal erproben.

"Alles klärchen? Ausgequatscht, Opa?" fragte er deshalb und bewarf, eine alte Zeremonie mißverstehend, den Redner, der seine Ansprache eben fortsetzen wollte, mit drei Handvoll feucht gewordener Erde. "Na, bestens! Dann reite ich vom Hof! Ich kann mir nicht helfen, aber von Wasserleichen kriege ich tierischen Kohldampf. Ich muß mir jetzt erstmal 'ne Currywurst 'reinziehen! Wünsche allseits noch viel Vergnügen! Bis demnächst, gleiche Stelle, gleiche Welle! Tschaudi und: Hau' rein!"

Die "Mainzelmännchen"- Melodie fortsetzend, watete er, vergnügt wie selten, von dannen, die behaarten Daumen lässig in die rechte Brusttasche seines einzigen Blazers gehakt. Von nun an würde er die obere Etage des Doppelstockbetts endlich für sich allein haben!

ENDE


Aus der © CHAT NOIR Mailbox: www.chatnoir.de und online unter diesen Rufnummern
Erste Veröffentlichung: 5.8.1996 von Das Goldene Herz
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