Fips Dillmann Abenteuer, Folgen 1 bis 10

Teil 1: Fips Dillmann fängt einen Frosch

Fips Dillmann, der strahlende, gutaussehende Zwillingsbruder von Heinz Dillmann, wirkte trotz seiner erst 37 Jahre schon beinahe wie ein erwachsener Mann. Unverhohlen hingen die Blicke der jungen Mädchen an ihm, wenn er - wie jeden Morgen - seinen braungebrannten Körper striegelte, hie und da ein lästiges Härchen zwischen den Zehen entfernend.

Eines Tages war Fips ganz allein zu Hause, als es an der Tür schellte. "Aha, sicher der Milchmann!" dachte er bescheiden, doch er hatte sich getäuscht: Es war die Milchfrau. "Entschuldigen Sie", sagte diese mit einiger Verlegenheit, "mir ist ein Frosch in die Milchkanne gefallen, und da wir uns nun schon so lange kennen und Sie so lange Oberarme haben, dachte ich..." - "Kein Problem!" erwiderte Fips, der die Milchfrau zum ersten Mal sah, höflich und zog das Tier heraus.

Es gelangte wieder glücklich zurück in das spiritusgefüllte Behältnis, das für präparierte Kadaver vorgesehen war; doch Fips' einziger Blazer war ganz naß geworden; er hatte vergessen, ihn vor dem Griff in die Milchkanne auszuziehen.

ENDE

Teil 2: Fips Dillmann geht tanzen

Fips Dillmann, der strahlende, gutaussehende Zwillingsbruder von Heinz Dillmann, wirkte trotz seiner erst 37 Jahre schon beinahe wie ein erwachsener Mann. Unverhohlen hingen die Blicke der jungen Mädchen an ihm, wenn er - wie jeden Morgen - seinen braungebrannten Körper striegelte, hie und da ein lästiges Härchen zwischen den Zehen entfernend.

So konnte es nicht ausbleiben, daß Fips die Aufmerksamkeit einiger Schwesternschülerinnen erregte, die ihn bei ihrem morgendlichen Schulweg auf dem Balkon mit bloßem Oberkörper seine Freiübungen machen sahen. Eines Morgens faßte sich Ilse, die älteste, waghalsigste und verständigste unter ihnen, ein Herz und rief ihm mit der ganzen Nonchalance der weiblichen Jugend zu: "Guter Mann, wir geben heute abend in der Bruno-Leuschner-Schule 'ne dufte Party und möchten Sie fragen, ob Sie nicht auch kommen wollen! Eine heiße Tanzschaffe ist garantiert, es spielt nämlich eine dufte Kapelle auf!"

Fips, der sich mit dem heutigen Jugendjargon nicht auskannte und nicht wußte, was eine "Schule", eine "Party", eine "Schaffe", eine "Dufte" oder gar eine "Kapelle" war, wollte die jungen Mädchen nicht enttäuschen und rief, sich um einen ebenso lockeren Tonfall bemühend, zurück:

"Ja!"

Nachdem er seine Mutter um Erlaubnis gefragt hatte, ging er sogleich an die Vorbereitungen und bürstete seinen einzigen Blazer gründlich aus. Am frühen Abend war er damit fertig und machte sich auf den Weg zur Bruno- Leuschner-Schule. Er fand auch richtig die festlich geschmückte Aula, in der die "Schaffe" stattfinden sollte, und begab sich aufs Parkett, wo er sich bemühte, so ausgelassen zu tanzen, wie er es einmal bei jungen Leuten in einem Krimi namens "Der Kommissar" gesehen hatte. Dies ging leichter als erwartet, und nach einer Stunde hatte sich Fips in eine regelrechte Ekstase hineingesteigert. Nur schade, daß die Kapelle noch mit dem Aufbauen beschäftigt war und die Musik noch gar nicht spielte!

ENDE

Teil 3: Fips Dillmann gerät in eine Situation

Fips Dillmann, der strahlende, gutaussehende Zwillingsbruder von Heinz Dillmann, wirkte trotz seiner erst 37 Jahre schon beinahe wie ein erwachsener Mann. Unverhohlen hingen die Blicke der jungen Mädchen an ihm, wenn er - wie jeden Morgen - seinen braungebrannten Körper striegelte, hie und da ein lästiges Härchen zwischen den Zehen entfernend.

Fips war ein wirklicher Freund der Stullen. Er pflegte diese liebenswerten, stillen Hausgenossen stets mit großem Appetit zu verzehren und glaubte wie wir nichts anderes, als daß sie direkt vom Broter kämen.

Eines Morgens entschloß sich Fips, der in der häuslichen Brottruhe keine für sich geeignete Schnitte mehr fand, das Wagnis eines Gangs zum Broter auf sich zu nehmen.

Sorgfältig zog er seinen einzigen Blazer an und machte sich auf den Weg, noch unschlüssig, ob er das helle, leichtverdauliche Kaubrot oder besser das dunkle, krustige Beißbrot wählen sollte. Schließlich entschied er sich für Beißbrot und betrat das Geschäft, wie immer darüber verwundert, daß es sich "Bäckerei" und nicht "Broterei" nannte. Gleich jeder anderen Frau war auch die Verkäuferin sofort seiner strahlenden Erscheinung verfallen und händigte ihm das Gewünschte - wie sie meinte, ein "Weißbrot" - nur zu gerne aus. Fips wußte nicht, wie er darauf reagieren sollte. Jeder andere hätte wahrscheinlich in einer Aufwallung von Jähzorn unwillig den Kopf in den Nacken geworfen, doch dazu war Fips zu galant.

Aber unversehens half ihm eine junge, blonde Dame, die einen roten Sportwagen fuhr und unauffällig das Geschäft betreten hatte, aus der Verlegenheit. "Haben Sie nicht gehört? Der Herr wünscht ein G R A U B R O T !" warf sie ein und rettete so eine schier ausweglose, verzweifelte Situation, die in der tausendjährigen Geschichte der Menschheit ihresgleichen sucht.

ENDE

Teil 4: Fips Dillmann geht rodeln

Fips Dillmann, der strahlende, gutaussehende Zwillingsbruder von Heinz Dillmann, wirkte trotz seiner erst 37 Jahre schon beinahe wie ein erwachsener Mann. Unverhohlen hingen die Blicke der jungen Mädchen an ihm, wenn er - wie jeden Morgen - seinen braungebrannten Körper striegelte, hie und da ein lästiges Härchen zwischen den Zehen entfernend.

Fips Dillmann, der wie kein Zweiter im Leben stand, wußte, daß im Dasein eines jeden Mannes alljährlich der Tag kommt, an dem gerodelt werden muß. So zurrte er denn seinen einzigen Blazer fest, warf sich den kecken, grauen Schal über und rammte seinen Kopf in die gutgeschnittene, knapp anliegende Pudelmütze, bevor er die Bermudashorts mit einem schweren dunklen Mantel vertauschte, um sein Sportgerät - gemeinhin als "Schlitten", von ihm jedoch der guten Ordnung halber als "Wollknäuel" bezeichnet - aus der antiken Rokoko-Vitrine zu hebeln.

"Wollknäuel" an einer marineblauen Perlonkordel hinter sich herziehend, wobei seine schweren, gefütterten Stiefel dumpf den Takt angaben, marschierte er geradeweg zur Rodelbahn, im Hochgefühl seiner winterlichen Gedanken den Blicken aus zahllosen Augenpaaren leichtbekleideter Mädchen keine Beachtung schenkend, die seiner rüstig ausschreitenden Gestalt sehnsüchtig folgten.

So hatte er auch kein Ohr für die ausgelassenen Stimmen, die durch die warme Luft vom Freibad herüberdrangen, noch für das muntere Zwitschern der Vögel; dabei hätte ihm nicht nur ein Blick auf den Kalender, sondern auch auf den Thermostaten der Gasetagenheizung verraten können, daß es heute ein ausgesprochen heißer Hochsommertag werden würde.

Der durch mancherlei Fährnisse gestählte Abenteurer, der schon ganz andere Schwierigkeiten hatte meistern müssen, ließ sich durch die Wetterlage die Freude am Rodeln jedoch nicht verderben und tollte bis zum Einbruch der Dunkelheit auf der Rodelbahn herum; nur schade, daß er die längste Zeit nach seinen braunen Handschuhen suchen mußte, die, wie jedes Jahr, an einer aufblühenden Hagebutte hängengeblieben waren.

ENDE

Teil 5: Fips Dillmanns bibliophile Gunst

Fips Dillmann, der strahlende, gutaussehende Zwillingsbruder von Heinz Dillmann, wirkte trotz seiner erst 37 Jahre schon beinahe wie ein erwachsener Mann. Unverhohlen hingen die Blicke der jungen Mädchen an ihm, wenn er - wie jeden Morgen - seinen braungebrannten Körper striegelte, hie und da ein lästiges Härchen zwischen den Zehen entfernend.

Fips Dillmann wäre ein schlechter Leser gewesen, hätte er das Lesen nicht persönlich von A bis Z erlernt. Zwischen zahllosen Klassikern der Moderne und zwei schlicht, aber geschmackvoll eingebundenen Erstausgaben des Plutarch und Aristophanes stand, an die geliebte Gipsbüste des Juvenil gelehnt, das abgegriffene, vielgelesene Werk, das ihn unter allen wohl am meisten geprägt hatte, nämlich "Hanni und Nanni".

Sei es, daß er unbewußt im Schicksal dieses siamesischen Zwillingspaares sein eigenes gleichsam gespiegelt wiederfand und sich deshalb auf innige Weise verstanden fühlte, sei es, daß ihn die tragische Lebenslust der Titelfiguren an seine eigene erinnerte, hatte erst dieses Buch ihm den Weg ins Leben gewiesen und ihn recht eigentlich zu dem gemacht, der er heute war. Er hätte dem Autor gern mit einem feuchten Händedruck seine Anteilnahme und seinen Dank ausgesprochen, doch als wahrem Abenteurer war ihm das damit verbundene Risiko zu gering, zumal er dessen Lebenszeit instinktiv auf die Antike datierte.

Deshalb beließ er es dabei, im Anschluß an seine Morgentoilette, die er nach dem Vorbild Hannis und Nannis wie immer sehr sorgfältig erledigte, den in heiter-verspielten Lettern auf den Buchrücken gedruckten Namen des Verfassers mit seinem breiten, behaarten Daumen symbolisch zu streicheln.

Als er damit fertig war, stand bereits der hohe Mond am Himmel, und Fips entledigte sich seines einzigen Blazers, um nach diesem glücklich bestandenen, unvergleichlich packenden Abenteuer geschmeidig ins Bett zu schlüpfen.

ENDE

Teil 6: Fips Dillmann verwechelt etwas

Fips Dillmann, der strahlende, gutaussehende Zwillingsbruder von Heinz Dillmann, wirkte trotz seiner erst 37 Jahre schon beinahe wie ein erwachsener Mann. Unverhohlen hingen die Blicke der jungen Mädchen an ihm, wenn er - wie jeden Morgen - seinen braungebrannten Körper striegelte, hie und da ein lästiges Härchen zwischen den Zehen entfernend.

"Kann ich Ihnen helfen?" fragte die Verkäuferin - wie jede andere Frau hingerissen von seiner markanten Erscheinung.

1 Txbe XHX!" verlangte Fips in jenem ausschweifend knappen Ton, den seine Freunde fürchteten und seine Gegner liebten. Verständnislos blickte ihn das junge Fräulein durch ihre gepflegten, modischen Brillengläser an, deren Dioptrien für sie in diesem intensiven Augenblick des Zwiegesprächs mit Fips Dillmann keine Rolle mehr spielten. "Eine Tixbe Ixhix?" wiederholte sie töricht, wobei ihr Fips' vom Beißbrot gestählte Kinnpartie nicht entging, die wie ein verläßlicher Freund aus der oberen Öffnung seines einzigen Blazers ragte. Das zustimmende Nicken dieses gewaltigen Ensembles ließ sie unwillkürlich erschauern, und wir würden dieser packenden Szene wohl noch heute beiwohnen, wäre nicht die Dame mit dem roten Sportwagen hinzugetreten, um Fips beizuspringen: "Man hat meinem Bekannten ein X für ein U vorgemacht. Also geben Sie ihm schon die Tube UHU!"

Schade, daß dieser Artikel im ganzen Geschäft nicht aufzutreiben war; es handelte sich nämlich um einen Fischladen. Als die Dame mit dem roten Sportwagen das bemerkte, zog sie den widerstrebenden Fips an einer blitzschnell in seinen Adamsapfel eingehakten Hundeleine hinter sich her ins Freie, nicht ohne ihm mit einem verächtlichen Seitenblick auf die Verkäuferin zuzuzischen:

"Dxmme Pxte!"

ENDE

Teil 7: Fips Dillmann und das vierschrötige Fräulein

Fips Dillmann, der strahlende, gutaussehende Zwillingsbruder von Heinz Dillmann, wirkte trotz seiner erst 37 Jahre schon beinahe wie ein erwachsener Mann. Unverhohlen hingen die Blicke der jungen Mädchen an ihm, wenn er - wie jeden Morgen - seinen braungebrannten Körper striegelte, hie und da ein lästiges Härchen zwischen den Zehen entfernend.

"Besorgen Sie es mir?"

Wie jede andere, die an ihrer Stelle hätte sein dürfen, war das vierschrötige Fräulein von Fips Dillmann hingerissen, der unwiderstehlich nach orientalischem Frisiergel und einer Spezial-Enthaarungscreme für den sensiblen Bereich zwischen seinen Zehen duftete. Wie also hätte sie sich ihm verweigern können?

"Soll ich... Ihnen einen 'runterholen?" fragte sie scheu und preßte ihren biegsamen Körper gegen den Ständer, der ihm peinlicherweise völlig entgangen war. Im Banne seiner prachtvollen Männlichkeit ging ihr Atem unwillkürlich schneller. Eine innere Stimme, ein instinktives Wissen zwang sie, sich höher und höher zu tasten; wie feucht sie dabei wurde, bemerkte sie gar nicht.

Bevor sie den Höhepunkt erreichte, rief Fips heiser aus:

"Ich komme!"

In diesem Augenblick vergingen ihr schier die Sinne, und sie hatte das deutliche Gefühl, die Balance zu verlieren. Eine warme, nasse Woge ergoß sich über ihre Schenkel, so daß sie schrill aufjauchzte. Die wackelnde, überschwappende Teetasse, die sie auf der Leiter abgestellt hatte, um Fips unverzüglich einen der von ihm verlangten "Hanni und Nanni"- Romane herunterzureichen, fiel ihr nämlich schon entgegen, als sie die oberste Sprosse noch lange nicht erklommen hatte.

Unser kühner Abenteurer, kaum glauben könnend, daß es tatsächlich eine Fortsetzung des lehrreichen "Hanni und Nanni"-Romans geben sollte, hatte sich vom Taschenbuch-Drehständer losgerissen und kam gerade noch zurecht, um das aufseufzende vierschrötige Fräulein artgerecht in seinen langen, federnden Oberarmen aufzufangen, wobei es ihm als Kavalier der alten Schule nichts ausmachte, daß er seinen einzigen Blazer mit Tee beschmutzte.

"Eines Tages werde ich wiederkommen, Fräulein!" versprach Fips Dillmann, das eben erstandene Buch zwischen den behaarten Fingern; und nach diesem Männerwort wußte sie, daß sie ihr Geschäft trotz rückläufiger Umsätze ein Leben lang offenhalten und gemeinsam mit ihren Schwestern aus der Frauengruppe "Sappho" warten, warten, immer nur warten würde - auf ihn, Fips Dillmann, den rätselhaften Schönen, der als einziger Mann auf der großen, weiten Welt Zutritt zu ihrem Frauenbuchladen "Försterliesel" hatte.

ENDE

Teil 8: Fips Dillmann, bleibe stark!

Fips Dillmann, der strahlende, gutaussehende Zwillingsbruder von Heinz Dillmann, wirkte trotz seiner erst 37 Jahre schon beinahe wie ein erwachsener Mann. Unverhohlen hingen die Blicke der jungen Mädchen an ihm, wenn er - wie jeden Morgen - seinen braungebrannten Körper striegelte, hie und da ein lästiges Härchen zwischen den Zehen entfernend.

Der Balkon, auf dem Fips Dillmann mit bloßem Oberkörper unter dem sehnsüchtigen Stöhnen der vorbeidefilierenden Schwesternschülerinnen seine allmorgendlichen Freiübungen zu absolvieren pflegte, gewährte ihm eine Aussicht.

Als sein Blick mit dem Instinkt des begehrten Mannes so geschmeidig daran herabglitt wie eine ertrinkende Fliege am Innenrand eines mit Buttermilch gefüllten hochohmigen Steckernetzteils, wurde er eines Gegenstands gewahr, der ihm das überdeutliche Gefühl gab, daß er sich unverzüglich davor schützen mußte, zum zweiten Mal binnen kürzester Zeit in eine Situation zu geraten.

Was lag näher, als nach seinem einzigen Blazer zu greifen und, seiner Wohnlage im vierten Stock ungeachtet, im kecken Schwung über die Balkonbrüstung zu federn, um diese monumentale Vision in der konzentrierten Atmosphäre emsiger geistiger Regsamkeit zu verarbeiten, wie sie allein die Wurstfabrik aufzuweisen hatte? Nur sie, wußte er, würde ihm die Antwort auf das drängende Suchen geben können, das mit harschem Knöchel an sein unvorbereitetes Herz pochte.

Fips, der gelernt hatte, Freizeit und Privatleben säuberlich zu trennen, war in der Wurstfabrik wohlgelitten und wurde wie ein alter Bekannter begrüßt, obwohl ihn niemand jemals zuvor gesehen hatte. Doch hier, wo Sensibilität vor Steriliät ging, spürten die Menschen instinktiv, daß einer von ihnen vor denselben stand.

Nach Sekunden, ja Monaten intensivsten Meditierens erschien ihm die Fleischeslust, die ihn beim ersten Erfassen des Gegenstands angewandelt hatte, nur noch wie die Lust auf Fleisch, und so konnte er endlich darangehen, seine vielleicht gefährlichste Versuchung zu vergessen.

Der Gegenstand aber, den Fips Dillmann vom Balkon aus beobachtet und der ihn zum läuternden Besuch in der Wurstfabrik veranlaßt hatte, war - eine Wurstpelle gewesen, jenes uralte Fruchtbarkeitssymbol, das Ilse, der ältesten, waghalsigsten und verständigsten unter den Schwesternschülerinnen, wohl nicht absichtslos aus ihrer tief ausgeschnittenen Garderobe geglitten war.

ENDE

Teil 9: Wo ist Fips Dillmann?

Fips Dillmann, der strahlende, gutaussehende Zwillingsbruder von Heinz Dillmann, wirkte trotz seiner erst 37 Jahre schon beinahe wie ein erwachsener Mann. Unverhohlen hingen die Blicke der jungen Mädchen an ihm, wenn er - wie jeden Morgen - seinen braungebrannten Körper striegelte, hie und da ein lästiges Härchen zwischen den Zehen entfernend.

Unschlüssig drehte und wendete Fips Dillmann die Einladungskarte zwischen seinen behaarten Fingern, die auf fünfhundert Meter Entfernung den feinsinnigen Intellektuellen verrieten. Zwar liebte er es, sich zu verkleiden - doch fürchtete er, daß man ihn diesmal auf Dr. Zinkhammels Faschingsparty endgültig in der Maske des Matrosen erkennen würde, wenn er, wie in früheren Jahren, lediglich seinen einzigen Blazer gewendet tragen würde, was immer wieder Anlaß zu Spekulationen über die Identität des schönen "Seemanns" gegeben hatte.

So trat er gedankenverloren vor den Spiegel. Als er seine Mutter im Nebenzimmer unerträglich laut wimmern hörte, kam ihm auch schon eine glänzende Idee: Er würde diesmal als Taubstummer gehen! Kurzentschlossen steckte er sich probeweise zwei faustgroße Wattebäusche in die Ohren und verkleisterte seinen Mund kreuz und quer gründlich mit Heftpflaster, das er zur Sicherheit mit Heißkleber fixierte. Die Folge war allerdings, daß er seine Mutter erst hören konnte, als sie aus Leibeskräften auf ihn einschrie, und ihr ganz gegen seine Gewohnheit nur unartikuliert antworten konnte, was ihn als liebenden Sohn selbstverständlich zutiefst betrübte.

So verwarf er dieses Kostüm wieder und verbrachte die folgenden Tage damit, sich von Heftpflaster und Wattebäuschen zu befreien, wobei ihm glücklicherweise die Dame mit dem roten Sportwagen behilflich war. Mit weiblicher Diplomatie gelang es ihr, ihm den Wunsch auszureden, als Leiche in einem gläsernen, mit Spiritus gefüllten Bottich zu erscheinen, und seinen Vorstellungen eine völlig neue Richtung zu geben: Er würde es als Schäferhundmischling versuchen!

Die Generalprobe fiel geradezu glänzend aus. Als er, seine grauen Socken fest in die Ohren geklemmt, eifrig schnüffelnd auf allen vieren durch die Straße schnürte und sich unter Überwindung seiner natürlichen Schamhaftigkeit gar dazu verstehen konnte, am größten Baum sein Bein zu heben, erkannte ihn nicht einmal Ilse, die älteste, waghalsigste und verständigste unter den Schwesternschülerinnnen, die mehr als ein Auge auf ihn zu werfen pflegten, wenn er mit bloßem Oberkörper seine allmorgendlichen Freiübungen auf dem Balkon absolvierte, und ihn einmal sogar zum Tanzen eingeladen hatten.

Als die große Stunde nahte, ließ er sich von der Dame mit dem roten Sportwagen willig ein Halsband umlegen, an dem ebendie marineblaue Perlonkordel befestigt wurde, mit deren Hilfe er im Hochsommer noch seinen Schlitten namens "Wollknäuel" hinter sich hergezogen hatte. Nun war er selbst, wohl oder übel, der Gezogene, was ihm jedoch durch den Triumph versüßt wurde, daß sich Dr. Zinkhammel persönlich (wie alle anderen Gäste mit Hilfe eines Blazers als "Fips Dillmann" kostümiert) im höchsten Maße angewidert von dem "dreckigen, stinkenden Köter" zeigte, der sich in den handgewebten Gobelin verbissen und eine übelriechende Masse auf dem echten Perserteppich hinterlassen hatte. "Schade, daß Fips Dillmann nicht erschienen ist!" kommentierte Dr. Zinkhammel bitter. "Er allein hätte mich gegen derartige Übergriffe zu schützen gewußt!"

Wie recht Dr. Zinkhammel mit dieser Bemerkung gehabt hatte, wurde ihm allerdings erst bewußt, nachdem er sich, nichtsahnend und von den Aufregungen des Tages zerschlagen, in sein vollgekotetes Bett gelegt hatte.

ENDE

Teil 10: Fips Dillmanns lustige Streiche

Fips Dillmann, der strahlende, gutaussehende Zwillingsbruder von Heinz Dillmann, wirkte trotz seiner erst 37 Jahre schon beinahe wie ein erwachsener Mann. Unverhohlen hingen die Blicke der jungen Mädchen an ihm, wenn er - wie jeden Morgen - seinen braungebrannten Körper striegelte, hie und da ein lästiges Härchen zwischen den Zehen entfernend.

Als Fips eines Tages unversehens seinen beiden ehemaligen Klassenkameraden Thomas (genannt Andi), Andreas (genannt Tommi) und Michael (genannt Ralfi) begegnete, die ihm früher oftmals absurderweise unterstellt hatten, nicht bis drei zählen zu können, und auch jetzt unter vielsagenden Blicken die Straßenseite wechselten, weil sie wußten, daß er sie für seine engsten Freunde hielt, erinnerte ihn das unwillkürlich an jene übermütigen Streiche, die er, der sich einiges auf seinen Humor zugute hielt, seit seiner Schulzeit immer wieder auszuhecken pflegte. Leider hatte er darüber nie lachen können.

Einmal vertauschte er, als zu Hause Besuch erwartet wurde, heimlich die Schraubverschlüsse zweier Apollinaris-Mineralwasserflaschen und freute sich wie ein Schuljunge, als das niemandem auffiel. Ein anderes Mal klebte er eine Briefmarke so auf ein Beileidsschreiben, daß ihre Gummierung nach außen wies. Dafür verbrauchte er eine ganze Tube UHU, bei deren Beschaffung er, wie wir wissen, ein packendes Abenteuer im Fischladen bestehen mußte. Noch kecker erschien ihm jedoch jene Lausbüberei, die er unlängst den Verkehrsbetrieben spielte: Er kaufte unverfroren zwei Fahrscheine, obwohl er ganz allein unterwegs war!

Daß er sich vorgestern in einem Schuhgeschäft auf die Lauer gelegt hatte, um wenigstens ein einziges Mal mit eigenen Augen das herrliche Pantoffeltierchen zu erspähen, konnte und wollte Fips vor sich selbst nicht als Streich werten, ebensowenig wie den Umstand, daß er das Fernglas dabei verkehrt herum hielt.

Innerlich noch immer unbewegt, entsann sich Fips, wie er im Grand Hotel Esplanade einmal ein Fischstäbchen nicht mit dem Fischmesser zerteilen wollte. Er hatte diese Neckerei gut vorbereitet und das Fischstäbchen nicht nur wochenlang vor seiner Mutter unter dem Bett versteckt, sondern es am Tag X auch in der Innentasche seines einzigen Blazers am Portier vorbei ins Grand Hotel Esplanade geschmuggelt, wo derartige Unspeisen nicht bekannt waren.

Hier begab er sich, Tisch, Stuhl, Teller und nicht zuletzt die Handkreissäge unauffällig unter seinen starken Arm geklemmt, aus dem Speisesaal direkt auf die Toilette, eine Örtlichkeit, die er normalerweise mied, weil ihm sein gesunder Menschenverstand sagte, daß sie einigen zweifelhaften Zeitgenossen für unsaubere Heimlichkeiten diente. An diesem Tag erschien sie ihm jedoch für seine Zwecke als am geeignetsten. Sein tollkühner Streich wäre auch beinahe unbemerkt geblieben, hätte er nicht unglücklicherweise die Toilette mit der Spülküche verwechselt.

Mit derselben quälenden Lebenslust hatte er sogar schon einmal spaßhaft den rechten Socken über den linken Fuß gestreift, woraufhin seine Mutter zwei Jahre lang nicht mehr mit ihm redete. Nein, Fips Dillmann hatte im Leben wahrlich nichts ausgelassen; aber war das etwa ein Grund zum Lachen?

Da endlich fiel ihm ein wirklich lustiger Schabernack ein: Heute vormittag hatte er nämlich so getan, als wolle er die Kreuzung bei rotem Ampellicht überqueren, wodurch der Fahrer eines Tanklastzugs die Kontrolle über sein Fahrzeug verlor und in die gegenüberliegende Grundschule raste, wo der Hänger mitten im Verkehrserziehungsunterricht der ersten Klasse explodierte. Zum Glück war dabei niemand verletzt und nur der ältliche Tafelschwamm in Mitleidenschaft gezogen worden; doch bei der Erinnerung an den Knall huschte nun doch endlich der Anflug eines Lächelns über Fips Dillmanns seelenvolle Züge.

Jugend und ihre Flausen!

ENDE


Aus der © CHAT NOIR Mailbox: www.chatnoir.de und online unter diesen Rufnummern
Erste Veröffentlichung: 1.8.1996 von Das Goldene Herz
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