Friedrich der Große: 18.1.1712 - 17.8.1786

Der Kronprinz

Friedrich II. ist der Sohn des "Soldatenkönigs" Friedrich Wilhelm I (1688 - 1740). Dessen Vater, Kurfürst Friedrich III. von Brandenburg, war vom Kaiser im Jahre 1701 in Königsberg zum "König in Preußen" gekrönt worden; "König von Preußen" durfte er sich nicht nennen, weil die Provinz Westpreußen zum Königreich Polen gehörte. Der Königstitel bezog sich allein auf das nicht zum Reichsgebiet gehörende Herzogtum Preußen. Friedrich Wilhelm I. vermied zeit seines Lebens größere bewaffnete Konflikte, denn er "liebte seine Soldaten wie ein Geizhals sein Gold; sie waren ihm zu kostbar, als daß er sie dem schwankenden Glück des Krieges aussetzen wollte." (George P. Gooch nach Holmsten, Selbstzeugnisse, 38). Diesem Umstand verdanken die Menschen eine fünfundzwanzigjährige Friedensperiode unter dem "Soldatenkönig". Der junge Friedrich hingegen verabscheut jedes militärisch geprägte Gebaren ("Tabakskollegium", der rauhe Freundeskreis seines Vaters) und bezeichnet Uniformen verächtlich als "Sterbekittel".

Öffentliche Demütigungen des jungen Kronprinzen durch seinen Vater, u.a. vor dem "Tabakskollegium", führen zum Fluchtversuch vom 5.8.1730, nach dessen Vereitelung ihn der Vater mit dem Degen durchbohren will, jedoch von Offizieren zurückgehalten wird. Friedrichs Mitverschwörer Katte wird zu lebenslanger Festungshaft verurteilt; der König wandelt den Spruch des Gerichts in die Todesstrafe um, deren Vollstreckung der zur Festungshaft in Küstrin verurteilte Friedrich beiwohnen muß, wobei er ohnmächtig wird. Während der Haft (1730 - 1732) wird Friedrich auf Geheiß des Vaters in Verwaltungsfragen unterwiesen. Nach seiner Einwilligung in die vom Vater aus Gefälligkeit gegen Wien aufgenötigte Ehe mit Elisabeth Christine von Braunschweig- Bevern (Verhandlungen der Hohenzollern mit dem Haus Habsburg um eine Ehe mit der Tochter Kaiser Karls VI., Maria Theresia, waren zuvor gescheitert) wird er 1732 aus der Haft entlassen und Regimentschef in Ruppin.

1736 zieht er mit seiner Frau nach Rheinsberg, ein Geschenk seines Vaters, das er nach eigenen Vorstellungen ausgestalten darf. Hier verlebt er, umgeben vom Freundeskreis um Charles Jordan (französischer Sekretär) und Dietrich von Keyserlingk (Stallmeister, kulturelles Universaltalent), zu dem weiterhin De la Motte-Fouqu und Suhm zählen, seine glücklichsten Jahre bis zu seinem Regierungsantritt. 1739 erscheint unter dem Eindruck der Aufklärung seine Schrift "Antimachiavell".

1740 besteigt er nach dem Tod seines Vaters den Thron. Im selben Jahr wird Maria Theresia, bedingt durch die von Kaiser Karl VI. gegenüber den Fürsten durchgesetzte "Pragmatische Sanktion" (Erbfolge), als erstes weibliches Familienmitglied der Habsburger Nachfolgerin eines österreichischen Regenten. Zu Kaiser Karls Lebzeiten ungern anerkannt, wird die "Pragmatische Sanktion" sofort nach seinem Tod aufgekündigt, und Karl Albert von Bayern erhebt Anspruch auf den Kaisertitel. Der "Österreichische Erbfolgekrieg" (1740 - 1748) entbrennt.

Der Erste Schlesische Krieg 1740 - 1742

Das verhältnismäßig kleine Preußen, das aus mehreren zusammenhanglosen Provinzen besteht, unterhält beim Tode Friedrich Wilhelms die viertstärkste Armee Europas. Obgleich er von seinem Vater testamentarisch beschworen wird, niemals als "agresör" (Agressor) aufzutreten, benutzt Friedrich die Situation, um in einem überaschenden Handstreich Schlesien zu besetzen (16.12.1740), wobei die Sucht nach Ruhm ein wesentliches Motiv ist. Der Erste Schlesische Krieg (1740 - 1742) bricht aus. 1741 erringt Preußen einen Sieg über die Österreicher bei Mollwitz, wobei der draufgängerische Friedrich, der fliehende Soldaten zu einer neuen Attacke sammelt, auf Anraten Feldmarschall Schwerins aus der bedrängten Situation flieht; der erfahrene Schwerin erficht den Sieg. Daraufhin kommt es zum Bündnis Preußens mit Frankreich. 1742 wird Kurfürst Karl Albert von Bayern als Karl VII. zum deutschen Kaiser gekrönt; weite Teile Bayerns werden daraufhin von Österreich besetzt. Nach der Niederlage des französisch- baayerischen Heeres gegen Österreich bricht Friedrichs Entlastungsoffensive in Mähren mangels Nachschubs zusammen. Bei Chotusitz besiegt Preußen die Österreicher. Am 11.6. tritt Österreich im Frieden von Breslau Schlesien an Preußen ab.

Der Zweite Schlesische Krieg 1744 - 1745

1744 besetzt Preußen Ostfriesland und eröffnet eine Offensive in Böhmen (die, dank der geschickten Taktik der aus Lothringen zurückgeeilten, sich jedoch nicht zum Kampf stellenden Österreicher von Massendesertationen begleitet, noch kläglicher scheitert als die von 1742). 1745 erringt Friedrich Siege bei Hohenfriedberg (neben Leuthen der bedeutendste, erkämpft gegen eine feindliche Übermacht), Soor und Kesselsdorf über das österreichisch- sächsische Heer. Nach dem Tod Karls VII. tritt sein Sohn Max Joseph die Kaiserkrone an Maria Theresias Gemahl Franz I. ab. Im Frieden von Dresden wird der Besitz Schlesiens bestätigt und im Gegenzug Franz I. durch die preußische Kurstimme als Kaiser anerkannt.

Vor dem Siebenjährigen Krieg

1746 schließen Rußland und Österreich ein Bündnis. 1747 wird Sanssouci, entworfen von Friedrich, von seinem Lieblings- Baumeister Knobelsdorff vollendet. Bibliothek und Schreibzimmer sind Kopien derselben Räumlichkeiten in Rheinsberg. Die "Tafelrunde von Sanssouci" etabliert sich. Ihr gehören Rothenburg, De la Motte-Fouqu (als letzter Überlebender der Rheinsberger Runde), La Mettrie (L'homme machine), Pöllnitz, D'Argens, Akademiepräsident Maupertuis sowie die Mitglieder des schottischen Hochadels James und George Keith an. (James Keith wird später Feldmarschall, George Keith preußischer Gesandter beim König von Frankreich.) Ferner wichtig: Kammerdiener Fredersdorf, Vorleser Darget und Sekretär Eichel (lt. Eduard Vehse bis zu seinem Tod 1768 "der einflußreichste Mann in Preußen"; Holmsten, Selbstzeugnisse, 89).

1748 endet der Österreichische Erbfolgekrieg; die "Pragmatische Sanktion" wird endgültig anerkannt.

1750 - 1753 weilt der von Friedrich vergötterte Philosoph Voltaire in Sanssouci. Er erhält hier ein fürstliches Salär von jährlich 5000 Talern, den Titel eines Kammerherrn, freie Tafel, Wohnung und Equipage, erregt jedoch bereits nach wenigen Monaten den Zorn des Königs durch einen Skandal um dubiose Spekulationen mit sächsischen Steuerkassenscheinen. 1753 verläßt er nach einem Streit mit dem König und dem Akademiepräsidenten Maupertuis Potsdam fluchtartig. In Frankfurt a.M. läßt ihn Friedrich für einige Wochen verhaften, weil er einen Band mit selbstverfaßten Gedichten nicht zurückerhalten hat, deren Publikation er fürchtet.

Der Siebenjährige Krieg 1756 - 1763

1756 verabreden England und Preußen, das seit dem Sieg von Mollwitz von 1741 mit Frankreich verbündet ist, eine Neutralisierung der deutschen Territorien des britischen Königs Georg II. im Falle einer Ausdehnung des britisch- französischen Konflikts auf den Kontinent. Friedrich hat Frankreichs Reaktion falsch eingeschätzt, das daraufhin das Bündnis mit Preußen aufkündigt: "Umkehrung der Koalitionen".

Durch die präventive Besetzung Sachsens kommt Friedrich den Angriffsplänen seiner Gegner (Österreich, Rußland, Frankreich, Schweden, Reichstruppen) zuvor. Während die Bevölkerungszahl Preußens (4 Mio.) im Verhältnis 1:20 zu der seiner Gegner steht, hat die preußische Armee maximal 150.000 Mann - gegenüber 300.000 Mann auf seiten der Verbündeten - unter Waffen.

1757 siegt Preußen bei Prag (hier kommt Feldmarschall Schwerin ums Leben), unterliegt dem österreichischen Feldmarschall Daun bei Kolin und siegt bei Roßbach sowie Leuthen (neben Hohenfriedberg 1745 der bedeutendste Sieg Friedrichs). 1758 folgt der Sieg über die Russen bei Zorndorf und die Niederlage gegen Österreich bei Hochkirch. Friedrichs Bruder und präsumtiver Nachfolger August Wilhelm und die Lieblingsschwester Wilhelmine Markgräfin von Bayreuth sterben. 1759 unterliegt ein preußisches Korps den Russen bei Kay; Friedrich erleidet bei Kunersdorf eine vernichtende Niederlage gegen Russen und Österreicher, die so schwerwiegend ist, daß der König nicht damit rechnet, mit dem Leben davonzukommen. Das Korps des Generals Finck wird bei Maxen von den Österreichern umzingelt und zur Kapitulation gezwungen. 1760 besiegt Friedrich die Österreicher bei Liegnitz. Das ungeschützte Berlin wird vorübergehend von Russen und Österreichern besetzt. Bei Torgau kommt es zur verlustreichsten Schlacht des Krieges, in der die Österreicher unter Daun besiegt werden. 1761 scheidet England aus dem Krieg auf dem Festland sowie dem Subsidienvertrag mit Preußen von 1758 aus. 1762 verstirbt die russische Zarin Elisabeth. Ihr Sohn Peter III., ein glühender Bewunderer Friedrichs, schließt Frieden mit Preußen, das Österreich bei Burkersdorf sowie Freiberg besiegt. - Allein dem Tod der Zarin verdankt Preußen das Bestehen gegen die Übermacht seiner Gegner und das Ende des Krieges ohne Gebietsverluste, das 1763 im Frieden von Hubertusburg besiegelt wird, nachdem im selben Jahr der englisch- französische See- und Kolonialkrieg im Pariser Frieden beendet worden ist.

Das Retablissement

Unmittelbar nach dem Frieden von Hubertusburg beginnt der innere Wiederaufbau Preußens, das sogenannte "Retablissement". 60.000 Soldaten werden für fünf Jahre vom Wehrdienst befreit, um beim Wiederaufbau - vor allem der Landwirtschaft - zu helfen, für den Friedrich auch Armeepferde und große finanzielle Mittel aufwendet. Die während des Krieges geprägten minderwertigen Münzen werden eingezogen, um die Inflation zu beseitigen, Straßen und Kanäle gebaut, Landstriche trockengelegt (Oderbruch!), Bergbau und Textilindustrie gefördert und Auslandsimporte weitestgehend reduziert bzw. mit Schutzzöllen belegt. Kolonisten aus anderen europäischen Ländern werden in Preußen angesiedelt, um die Landwirtschaft zu stärken. Besonders wichtig ist ihm der Kartoffelanbau (im 16. Jh. aus Amerika eingeführte Erdfrucht), der von den Bauern nur zögernd betrieben wird, so daß zahlreiche sogenannte "Kartoffeldekrete" erlassen werden müssen, die von seinen Kritikern als seine segensreichsten Verordnungen bezeichnet werden. In den Staatsdomänen ist der Kartoffelanbau unbedingte Pflicht (Holmsten, Selbstzeugnisse, 141). Friedrich gründet die Porzellanmanufaktur und stellt den Kornhandel unter staatliche Kontrolle, so daß in den Hungerjahren 1772 - 1774 magaziniertes Korn aus staatlichen Reserven zum normalen Marktpreis abgegeben werden kann. Er erhebt eine indirekte Verbrauchssteuer (Akzise), von der die Grundnahrungsmittel jedoch ausgenommen werden.

1765 stirbt der Gemahl Maria Theresias, Kaiser Franz I.; Mitregent der Mutter und späterer Nachfolger wird Joseph II. Mit der ersten polnischen Teilung von 1772 durch Vertrag zwischen Österreich, Rußland und Preußen fällt dem König die Provinz Westpreußen zu. Somit darf er von nun an den Titel "König von Preußen" statt "König in Preußen" tragen.

1778/79 bricht der Bayerische Erbfolgekrieg gegen die Ansprüche Josephs II. auf Bayern aus. Preußen und Sachsen besetzen Böhmen; die preußischen und österreichischen Heere weichen einander jedoch beständig aus, so daß der Feldzug ergebnislos bleibt ("Kartoffelkrieg"). 1780 stirbt Maria Theresia; 1785 gründet sich der deutsche Fürstenbund gegen Joseph II.

Unter Mitwirkung der Juristen Carmer, Zedlitz und Suarez arbeitet Friedrich an der ersten für ganz Preußen gültigen Rechtsordnung, die allerdings erst nach seinem Tode fertiggestellt ist (1790 "Allgemeine Gerichtsordnung", 1794 "Allgemeines Landrecht", das bis 1900 in Kraft bleibt).

Am 17.8.1786 stirbt Friedrich der Große in Sanssouci als ebenso gefürchteter wie einsamer Mann, dessen einzige Vertraute seine Windspiele sind, in den Armen eines Leibhusaren.

Anmerkungen

Das Jahrhundert Friedrichs II. ist geprägt vom Gegensatz zwischen England und Frankreich, die einen erbitterten See- und Kolonialkrieg führen, sowie vom Gegensatz zwischen dem Geist der Aufklärung (vertreten durch Voltaire, Kant u.a.) und dem Faktum absolutistischer Herrschaft und feudaler Leibeigenschaft.

Wegen der absolutistischen Herrschaftsverhältnisse jener Zeit hängt die Entscheidung über Krieg oder Frieden häufig von der Person des betreffenden Herrschers und der seines Nachfolgers ab. Ein Wechsel auf dem Thron kann die Situation grundlegend verändern, so bei Friedrichs Thronbesteigung, der gegen den erklärten Willen seines verstorbenen Vaters aus Ruhmsucht als "agresör" auftritt und den ersten Schlesischen Krieg eröffnet, aber auch beim Zurückeilen der gegen Lothringen ausgezogenen Östereicher nach Böhmen während des zweiten Schlesischen Krieges unter Feldmarschall Traun, das einzig und allein durch eine schwere Erkrankung des französischen Königs Ludwig XV. möglich wird, der, mit Preußen verbündet, ebenso wie die Österreicher Ansprüche auf Lothringen angemeldet hat. Friedrichs Kalkül, die Bindung der Habsburger Truppen in Lothringen auszunutzen, scheitert allein an der Entscheidung der Österreicher, nicht Frankreich zu besetzen, sondern sich nach Böhmen zurückzubegeben. Nicht zuletzt beim "Mirakel des Hauses Brandenburg" am Ausgang des Siebenjährigen Krieges wird die Personenbezogenheit des Absolutismus deutlich, als Rußland mit Preußen Frieden schließt, nachdem die Zarin verstorben und ihr Sohn Peter, ein glühender Bewunderer Friedrichs, Nachfolger geworden ist.

Daher suchen die Herrscherhäuser ihre Macht u. a. durch günstige Hochzeiten zu vermehren; ebensogroße Bedeutung hat die Erbfolge. Eine nicht zu unterschätzende Rolle im Barock/ Rokoko spielen auch höfische Ränke und Intrigen bzw. die Ratgeber der Herrschenden.

Der andauernde Kriegszustand zwischen England und Frankreich bewirkt, daß der Freund des einen unwillkürlich der Gegner des anderen wird. Die Staaten Europas machen sich diesen Zustand in wechselnden Koalitionen zunutze, wobei diese prinzipiell nicht allzu verläßlich sind, weil der See- und Kolonialkrieg, aus dem England als siegreiche Macht hervorgehen wird, gewaltige Geldsummen verschlingt. So kann es geschehen, daß das während des Siebenjährigen Krieges mit Preußen verbündete England nach dem Tode William Pitts seinem Bündnispartner die finanzielle Unterstützung ("Subsidien") sperrt.

Da die Armeen jener Zeit recht unbeweglich sind, indem sie weite Strecken zu Fuß zurücklegen müssen, können die Anführer der Hauptheere einander ausweichen und den Gegner auf diese Weise "ausmanövrieren", wie es Friedrich während des Zweiten Schlesischen Krieges 1744 in Böhmen geschieht, der die Österreicher so lange nicht zur Entscheidungsschlacht stellen kann, bis mangelnder Nachschub während der Wintermonate zu Massendesertationen aus der preußischen Armee führt. Während das "Hauptheer" marschiert, bleiben die übrigen Landesteile ungeschützt und können vom Gegner besetzt und gebrandschatzt werden, was während des Siebenjährigen Krieges in Preußen zu Zuständen wie im Dreißigjährigen Krieg führt (1760 vorübergehende Besetzung Berlins durch Russen und Österreicher).

Friedrich sieht sich im Widerstreit zwischen der Welt des "Philosophen von Sanssouci" und der Realpolitik, der er sich im Sinne Kantischer Pflichtethik als "erster Diener meines Staates" verpflichtet fühlt. Biographen schildern ihn als innerlich zerrissenen Menschen, als einen Schöngeist auf der einen und Feldherrn auf der anderen Seite. Die Motive für seine Schlesischen Feldzüge, die nur ein Jahr nach seinem "Antimachiavell" beginnen, scheinen nicht recht durchschaubar; sie sind von der seinerzeit üblichen und von Friedrich meisterhaft beherrschten Täuschungskunst wie von der Neigung des Königs zur Selbstironie verstellt. Sicher ist, daß er selbst in einem Brief von dem Wunsch nach Ruhm und als alter Mann von seiner jugendlichen "Ehrsucht" spricht. Hellmut Diwald (in: Preußens Könige) schreibt: "Daß Preußen auf Schlesien angewiesen war, das stand erst fest, als Preußen Schlesien hatte; die Abrundung wurde unentbehrlich, als sie vollzogen war."(79) Fest steht: Bei Friedrich Thronbesteigung ist dank seines Vaters, des sparsamen "Soldatenkönigs", die Armee perfekt gedrillt und die Staatskasse bestens bestellt, so daß beste Voraussetzungen für einen Krieg bestehen.

Zur Zeit Friedrichs hängt die Macht eines Staates nicht unwesentlich von seiner Bevölkerungszahl ab, da diese über die Stärke des aufzubietenden Heeres (in Preußen zu Friedenszeiten ca. 220.000 Mann) entscheidet. Auch dies mag ein Grund zur Eroberung Schlesiens sein. Doppelt wichtig ist die Landwirtschaft, da sie die Menschen ernährt und Bauernsöhne das Rückgrat des einfachen Fußvolks bilden. Zu den unumstrittenen Verdiensten des Königs gehört die Förderung des Kartoffelanbaus (ausgehend von staatlichen Domänen) und die Trockenlegung von Sumpflandschaften (z. B. Oderbruch, wo 50 neue Dörfer für Kolonisten entstehen). Zumindest in religiöser Beziehung ist Preußen zu Friedrichs Zeit das toleranteste Land Europas. Bereits unter dem Großen Kurfürsten sind Hugenotten ins Land geholt worden; unter Friedrich dürfen die katholischen Schlesier ihre Religion ebenso beibehalten wie die Kolonisten aus Polen und anderen Ländern; jeder kann "nach seiner Fasson selig werden", wie der König in einer Randbemerkung formuliert und wie es das unter seiner Ägide in Angriff genommene Allgemeine Landrecht später bestätigt. Diese Toleranz mag daher rühren, daß der "Soldatenkönig" seinen Sohn mit ebenso strengen wie langweiligen religiösen Zeremoniellen aufwachsen ließ.

Bemerkenswert an der Persönlichkeit des Königs ist seine Neigung zu geistvoller Konversation (wie sie durch den Vorleser de Catt in Teilen überliefert ist) und zur Ironie, gelegentlich auch zur Selbstironie. In seinen Schriften ("Geschichte meiner Zeit") geht er mit gnadenloser Selbstkritik zu Werke. Von seinen Untertanen verlangt er absoluten Gehorsam, besonders von seinen Beamten, die er auf zahllosen Inspektionsreisen durch sein Detailwissen in Verlegenheit bringt. Es ist seine Angewohnheit, sich um möglichst alles persönlich zu kümmern; seine Schreiber müssen ihm Auszüge der eingehenden Post anfertigen, die er, mit den berühmten "Randbemerkungen" versehen, zur weiteren Bearbeitung weitergibt.

Als einer der wenigen Monarchen seiner Zeit unterzieht sich der König höchstpersönlich den Gefahren und Entbehrungen seiner Feldzüge. Der Stabilität des absolutistischen Regiments zuliebe muß Friedrich darauf verzichten, Bürgerlichen eine glanzvolle Armeekarriere zuzugestehen; diese dürfen höchstens den Korporalsrang (Unteroffizier) bekleiden.

Laut seinem Selbstbekenntnis spricht er Deutsch "wie ein Kutscher"; er leidet darunter, Französisch nicht als wirkliche Muttersprache erlernt zu haben. Als Dichter und Komponist bleibt er seinen Biographen zufolge lediglich ein mittelmäßiger Epigone; mit seinem Lieblingsmusiker Quanz gibt er zahlreiche Flötenkonzerte. (Die Flöte ist von Jugend an sein Lieblinsinstrument.) Er gilt trotz einer angeblichen Jugendschwärmerei für eine verheiratete Dame als - möglicherweise homosexueller -Frauenverächter. Seine Ehe bleibt kinderlos; sein Nachfolger wird der Sohn seines Bruders.

Sein Leben lang sehnt er sich nach Freundschaft und pflegt diese, wenn er sie gefunden hat, mit rührender Hingabe. Er stirbt jedoch als gefürchteter, vereinsamter Mann, dessen letzte Gefährten seine geliebten Windspiele geblieben sind. Sein Wunsch, neben ihnen in Sanssouci beigesetzt zu werden, erfüllt sich jedoch nicht; er wird auf Geheiß seines Nachfolgers in der Garnisonkirche bestattet.

Hofmaler Friedrichs ist jahrzehntelang Antoine Pesne.


Aus der © CHAT NOIR Mailbox: www.chatnoir.de und online unter diesen Rufnummern
Erste Veröffentlichung: 1.2.1994 von Holger
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