Mein täglicher Nervenzusammenbruch

Soweit ich weiß, ist ein sicheres Zeichen für einen Nervenzusammenbruch, wenn man bei Kleinigkeiten, die mißlingen, schon total überreagiert und unangemessen austickt und sich überfordert fühlt mit den Anforderungen des täglichen Lebens, und/oder wenn man stundenlang Heulkrämpfe hat.

22.30 Uhr - Anschalten des Rechners

Nervöses hin und her blicken. Wie lange dauert das den noch. Aha: der Anmelde-Bildschirm. Eine faschistoide Sanduhr erklärt mir noch etwa einer Minute, daß mit anmelden noch nichts ist. Nervöses Rumklopfen auf der Tastatur, aha, nun aber.

  1. Versuch: 10 stelliges Passwort mit gewohnter Lässigkeit im Bruchteil einer Nano-Sekunde in die Tasten gehämmert.
    Ping... Das System konnte Sie nicht anmelden!

  2. Versuch: schon Blick auf die Tastatur...
    Ping... Das System konnte...

  3. Versuch: Buchstabe für Buchstabe in diese dämliche Tastatur gedrückt.
    Ping... Das System...

Ein kurzer Moment der Ratlosigkeit - dann kalte Wut. Die Feststelltaste - wenn es die ultimative Haßtaste auf einer Tastatur gibt, dann ist es diese Taste. Erfolgreiche Anmeldung - was zum nächsten Auftritt dieser mir auf tiefste verhassten Sanduhr führt. Ein Moment, der fast eine Ewigkeit zu dauern scheint - ich bin mit den Nerven am Ende und ich habe bisher lediglich den Computer angemacht. Es kann also nur besser werden.

Nun dann starte ich MS-Word um eine technische Dokumentation über einen Print-Server zu schreiben der bei mir auf Arbeit entwickelt wurde.

Ich habe vier stichpunktartige Zeilen geschrieben, auf einmal geht nichts mehr - ich tippe wie wild auf die Tastatur und gebe nicht auf. Es meldet sich eine widerliche kleine Büroklammer: "Anscheinend möchten Sie einen Brief schreiben..." Ich überlege ob ich ein Gewehr im Haus habe. Ein zehnminütiges Nachdenken darüber, was diese Nazi-Büroklammer, die absolut didikatorische Entscheidungen darüber trifft was ich möchte und was nicht, dazu veranlasst anzunehmen, ich möchte einen Brief schreiben bleibt weitgehend erfolglos, aber gibt die Möglichkeit für den 8. Kaffee des Tages.

Nach einer 3/4 Stunde mehr oder weniger konstruktiven Arbeitens entscheide ich eine Layout-Änderung. Klick - wieder geht überhaupt nichts mehr. Wenn jetzt wieder diese Büroklammer kommt ist die Kiste fällig. "Bitte legen Sie MS-Office Cd:2 ein!" Tilt!

20 Minuten endlosem Gewühle einem totalen Chaos und dem 9. Kaffee später die CD. Nicht mehr die schönste, aber immerhin. Einlegen der CD - Erde an CD-Rom Laufwerk - Hallo? Ein Anfahren wie im Atomkraftwerk, ein endlos nerviges Geräusch und wieder nichts.

Die erste Gewalt des Abends - ein kräftiger Tritt gegen die Mistkiste - erfolgreich. Der Autostart tut sein übriges und eine nervige Office Setuproutine startet genau 5 mal gleichzeitig und bringt das System und mich an den Rand des totalen Wahnsinns. Nachdem Beruhigung eingetreten ist und der Auslagerungsspeicher sich wieder dezimiert hat könnte es weiter gehen.

Eigentlich wäre jetzt zur Sicherheit ein Neustart fällig, doch diese Strapazen halte ich nicht aus. Die CD ist nun drin und wird erkannt. Der von mir nicht gewünschte Bildschirm behauptet jedoch das Gegenteil. Ich überlege kurz ob ich den Monitor in Richtung CD-Romlaufwerk drehe damit sich Word persönlich überzeugen kann - stelle dann aber irendwann fest, daß im Unterornder CDROM:/Utilitis/German/Sys eine inf-Datei existiert die ihm gefällt - wie schön.

Nach einer weiteren Stunde des heiteren gegen Word arbeitens mit ungefragten Rechtschreibprüfungen, automatischen Tausch von Groß- und Kleinbuchstaben am Anfang und diversen Spielereien gebe ich erst einmal auf.

Na, dann wollen wir doch mal unsere E-Mails abfragen - ein Abenteuer der ganz besonderen Art. Mein lustiges Outlook sagt mir: "Keine Verbindung zum Server." Ich starte den MSN-Dialer (irgendwie ist Dialer ja das Unwort des Jahres) und es piept und piept und piept, der 10. Kaffee steht bereit. "Die Verbindung konnte nicht hergestellt werden... klicken Sie auf Hilfe." Klick! Nun ja, ich lande auf unsanfte Art und Weise in der Windows-Netzwerk-Hilfe und schlußendlich in Microsoft Hilfe zu Hilfe. Peng!

Schokolade und Zigaretten, ja das wird helfen. Also nix wie schleunigst zur Tankstelle und einen möglichst großen Vorrat angelegt. Wieder zurück, etwas frische Luft getankt im Auto mit lauter Musik und Bleifuß etwas Wut abgelassen, geht es wieder etwas. Internet geht wieder, warum auch immer. Outlook nicht! Nun ja ich versuche die Erkennen und Reparieren Funktion in Outlook einmal näher zu testen - mir ist es eigentlich längst scheißegal aber mir geht's ums Prinzip.

"Bitte legen Sie MS-Office Cd:2 ein!" Ha! Dreckvieh dämliches, die ist noch drin. Klappt, und ich fühle mich gut, jawohl. Dann: "Die folgende Anwwendung muß beendet werden damit die Setup-Routine korrekt funktionieren kann: MS-Messenger." Krücke!!! Na gut, Messenger/Beenden. Nun sagt mir der Messenger: "Messenger kann zur Zeit nicht beendet werden da folgende Awendungen Dienste von MS-Messenger nutzen: MS-Outlook."

Heulkrämpfe / Überforderung / Nervenzusammenbruch. Ich gehe zu meinem Sicherungskasten und drehe die Sicherung für den Rechner raus. Mir ist schlecht von 3 Tafeln RitterSport Vollnuss, einer halben Schachtel Zigaretten und Unmengen Kaffee.

Es ist 3.00 Uhr und ich weiss: heute abend geht alles wieder von vorne los.


Aus der © ChatNoir Mailbox: www.chatnoir.de und online unter diesen Rufnummern
Erste Veröffentlichung: 20.10.2002 von Lad-Sebastian
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