Trübe Sonne

Leben in einer verschlossenen Welt

Vorwort:

Sämtliche Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind rein zufällig, alle Handlungen und Örtlichkeiten frei erfunden.

Kapitel 1

Als ich die Schule verließ und versuchte, in der Welt der Erwachsenen Fuß zu fassen, gaben mir meine Eltern den wohlgemeinten Rat, so schnell wie möglich der freien Wirtschaft den Rücken zu kehren und mich in die Obhut des öffentlichen Dienstes zu begeben.

So tingelte ich nach Abschluß meiner Berufsausbildung als Heizungsmonteur durch die Erlebniswelt der Berufe. Ich war Kraftfahrer, Schuhverkäufer, Polizist bei den Amis und wieder Kraftfahrer. Auch als Bertelsmannmitarbeiter schaffte ich es, einen Tag ein aktive Rolle zu spielen. Doch als Kraftfahrer fristete ich ein eigentlich sorgenfreies Leben bei schmalen Verdienst aber sehr viel Freizeit. Um vier Uhr aufstehen, um 5.30 Uhr auf dem Fruchthof sein, dann zwei bis vier Filialen einer großen Lebensmittelkette in Berlin anfahren. Danach mit dem LKW nach Kreuzberg zu einer großen Fabrik für Papierordner gefahren, geladen und auf Kundentour. 10 - 20 Kunden am Tag waren nach kurzer Zeit überhaupt kein Problem mehr für mich und ich war gegen 12.00 Uhr Mittag fertig mit der Arbeit. Der Sommer barg ungeahnte Möglichkeiten der Freizeitentfaltung und mein Chef wunderte sich, dass ich so eine hervorragende Gesichtsfarbe hatte. Ich argumentierte immer mit den sehr langen Wartezeiten und den damit verbundenen Sonnenbädern. Im Winter war die Angelegenheit schon unangenehmer. Aber auch hier schaffte ich Abhilfe. Ich kaufte mir eine Saisonkarte der Hallenbäder und war jeden Tag im Schwimmbad. Aber auch das füllte mich mit der Zeit nicht aus und eines Tages las ich bei einer meiner ausgedehnten Pausen in der BZ bei den Stellenangeboten:

Justizvollzugsbeamte im Beamtenstatus gesucht. Einwandfreier Leumund und Führungszeugnis sowie die Bereitschaft zum Schichtdienst und Teamarbeit voraussetzend, sind Sie unser Mann.

Angepiekt von dieser Annonce fuhr ich sofort nach Hause und schrieb eine kurze Bewerbung. Ich hörte danach absolut nichts mehr von diesem "Traumberuf" und schrieb nach einem halben Jahr eine erneute Bewerbung. Zu meiner größten Überraschung hatte ich eine Woche später eine Einladung zum persönlichen Gespräch im Briefkasten. Absolut ahnungslos (wer kennt schon Justizvollzugsbeamte?) dackelte ich zur Potsdamer Straße. Auf dem ewig langen Behördenflur tummelten sich ca. 20 Bewerbungswillige Probanden. Wir bekamen jeder einen Fragebogen und mußten diesen ausgefüllt vorher abgeben, bevor wir in einen Raum gerufen wurden. Der Fragebogen enthielt delikate Fragen zur Person und zum bisherigen Leben. So wurde nach den üblichen Punkten wie Alter, Geschlecht und Anschrift auch danach gefragt, ob man verheiratet sei und Kinder hätte, ob man schon mal im Knast war oder vorbestraft sei. Auch Einträge in Flensburg hielten die Verantwortlichen für wichtig. Heilfroh, dass ich alles mit reinem Gewissen beantworten konnte, gab ich den Bogen bei der mürrisch dreinblickenden Sekretärin ab. Um 10.00 Uhr hinbestellt, war ich endlich gegen 15.00 Uhr an der Reihe.

Ich betrat einen abgedunkelten Raum. Die Atmosphäre war erfüllt von den Gerüchen meiner Vorgänger, kalten Zigarettenrauch und staubigen Akten. Zwei Damen und Herren kamen sofort zur Sache.

"Waren Sie schon mal im Gefängnis?" ...lautete die erste Frage.
"Wissen Sie eigentlich, was das für eine Arbeit ist, für die Sie sich beworben haben?" ...war die zweite.
"Sind Sie für die Todesstrafe?"
Ich antwortete wahrheitsgemäß, dass ich gegen die Todesstrafe bin, eine Meinung, die ich nur einige Monate später revidierte.

"Was machen Sie, wenn ein Inhaftierter mit wutverzerrtem Gesicht vor Ihnen steht und Sie angreifen will?"
Antwort: "Ich versuche, ihn mit beruhigenden Worten von seinem Baum hinunter zu bekommen" ...eine Antwort, die sich in der Realität als völlig absurd herausstellte.

Frage: "Ein Inhaftierter bietet Ihnen Geld, damit sie für ihn eine Dienstleistung ausführen, wie verhalten Sie sich?"
Gegenfrage: "Meinen Sie damit, dass ich einem Gefangenen verbotene Gegenstände in die Anstalt mitbringe?" "Genau das meinen wir".
Antwort: "Ich würde nie einem Inhaftierten solche 'Gefallen' erweisen, da ich mich damit unwiderruflich in die Hand der Gefangenen begeben würde" ...ein Vorsatz, der mir später immer wieder den A.... rettete und der nur sehr schwer einzuhalten ist. (Eine Flasche Chantré kostete im Knast zur damaligen Zeit zwischen 80 und 120,- DM)

Nach etlichen anderen belanglosen Fragen war ich gegen 16.30 Uhr entlassen und wurde noch einmal zu einer kurzen schriftlichen Prüfung und einer ärztlichen Prüfung bestellt, die ich ohne größere Schwierigkeiten und Probleme durchlief. So durfte ich zum 1.Oktober einen einjährigen Lehrgang besuchen, der mich auf mein neues Aufgabengebiet vorbereiten und ausbilden sollte.

Kapitel 2

Mein erster Tag in der "Schule" begann mit der Vorstellung der Dozenten, die im kommenden Jahr ihren persönlichen Müll bei uns abladen würden. Am schärfsten war eine Dame mittleren Alters, die wohl bei der Prüfung zum Psychologen durchgefallen sein mußte, aber hier den totalen Durchblick zu haben glaubte. Diese Dame nenne ich Frau P. Wir hatten dann noch einen Dozenten, der seine Erfahrungen im Knast machte und uns mit der rechtlichen Seite vertraut machte, ihn nenne ich Herrn A.

Wir begannen mit dem "Urvertrauen", der Verbindung von Mutter und Kind im Mutterleib und die unmittelbare Zeit danach. Frau P. vertrat hier ernsthaft die Meinung, dass schon in der Zeit vor der Geburt durch äußere Umwelteinflüsse entscheidende Grundlagen für die spätere Entwicklung des Kindes gelegt wird. Durch die kindliche Entwicklung nach der Geburt sollen dann die restlichen Weichen gestellt werden, in Verbindung mit dem äußeren Umfeld des Kindes. Meine Einwände, dass auch Kinder aus Heimen nun nicht gerade für eine kriminelle Karriere herhalten können, wurden vom Tisch gewischt. Wir behandelten also den lieben langen Tag, Woche für Woche Möglichkeiten einer kriminellen Karriere und suchten immer wieder Anhaltspunkte für den Auslöser. Auch wurde hier die Möglichkeit von Straftaten unter Alk und Drogen in Betracht gezogen, wobei ich mich vehement für eine Legalisierung der Drogen einsetzte und harsche Kritik einstecken mußte. Sehr schnell erkannte ich die persönlichen "Macken" unserer "Lehrer", schwenkte auf sie ein und hatte nun ein recht sorgenfreies Leben. Die Zensuren besserten sich schlagartig, als ich nun die verdrehten Meinungen von Frau P. in den Klausuren wiedergab.

Es kam nun wie es kommen muß, wir begannen unser erstes Praktikum im Knast. Ausgerechnet im Jugendknast "Kaffee Helmstedt" begann ich meine ersten Erfahrungen mit den "Gestrauchelten". Sinnigerweise mußte ich zum Spätdienst antreten. Zuerst suchte ich die Eingangstür, da sie unauffällig in die Häuserzeilen intregiert war. Aber als ich die Pforte mit den mürrisch dreinblickenden Pfortenbeamten passierte, wurde mir mulmig. Obwohl hier auch die einzelnen Zellen offen waren, die inhaftierten Jugendlichen zwischen den Stationen von eins bis vier pendeln konnten, herrschte eine aus Stimmen, Geklapper von Geschirr, verschiedenen Musikfetzen zusammengewürfelte Atmosphäre, die mit Schweißgeruch und Schwarzem Krausen (einer Tabakmarke für Selbstdrehende) gewürzt war. Alle Hafträume lagen übereinander, wenn die Inhaftierten die Zellentür öffneten, sahen sie auf eine verglaste, aber vergitterte riesige Wand, durch die die Sonne ihre durch die dreckigen Fenster getrübten Strahlen schickte. Weit sehen konnte niemand, denn andere Gebäude versperrten die Sicht und das Auge konnte nirgendwo auch nur einen grünen Lichtblick ergattern.

Alle Sicherheitsbereiche waren mit schweren Türen mit riesigen Schlössern versehen. Die Schlüssel waren ca. 20 cm groß und bestanden aus einem Zellenschlüssel und einem Durchgangschlüssel für die einzelnen Bereiche. Wenn diese Türen geschlossen wurden, verursachten sie ein Geräusch, dass mich in meiner ganzen Zeit in den Knästen verfolgte und mich noch heute nicht losläßt. Es besteht aus Geklapper von Metall auf Metall, verursacht durch die beiden Schlüssel, verbunden mit den satten ins Schloß fallenden Geräusch der aus starken Metall und Glas bestehenden Türen. Diese Türen sind zusätzlich mit dicken Gitterstäben versehen und verleihen dem Betrachter ein endgültiges, das Leben verdrängendes, deprimierendes Flair. Knallt diese Tür hinter einem zu und ist es nur für acht Stunden, gelten andere Gesetze. Gesetze aus einer Hierachie fernab "normaler" Abläufe, entstanden durch eine immer gegenwärtige Sucht nach eigenen Vorteilen. Vorteile, um das eigene vegetieren hinter den Mauern etwas erträglicher zu machen.

Und hier wurde ich schlagartig hineinkatapultiert, vollgepropft mit sozialen Gelaber der Dozenten... ("betrachte immer einen Gefangenen als Menschen und sehe in ihm immer das Gute" oder: "denke immer daran, dass diese Menschen selten Liebe, sondern meistens Gewalt erfahren haben") ...betrat ich diese für den Laien und Unerfahrenen Neuling düstere, das Leben zerfressende Umgebung. Nie vergessen werde ich die Begrüßungsrede des Anstaltsleiter. Er begrüßte mich und noch zwei Kollegen mit den Worten: "Herzlich willkommen in der Hölle". Dann startete er mit unaufhörlichen Warnungen, was wir alles beachten müßten, um nicht unterzugehen. Und er gab uns zwischen den Zeilen zu verstehen, dass wir die Theorie der Vollzugsschule da lassen sollten wo sie war ...in den Büchern. Statt dessen empfahl er uns, mit dem normalen Menschenverstand an die Probleme heran zu gehen und so selbige meist sehr schnell zu lösen.

Nun noch mehr verunsichert bekam ich unter Anleitung eines erfahrenen Kollegen eine Station mit 20 Jugendlichen zugeteilt. Die Anleitung sah so aus, dass der Kollege mir kurz die Hausarbeiter (Kalfaktoren), also für die Versorgung der Inhaftierten zuständige Gefangene, vorstellte, die Essenzeiten bekannt gab und sich dann verzog. Nun war ich allein mit zwanzig Jugendlichen im Alter von 15 bis 18 Jahren, erprobt im Moloch Knast, wohl wissend, dass sie einen absoluten Grünschnabel vor sich haben.

Kapitel 3

Als erstes kamen die Hausarbeiter neugierig an und fragten scheinheilig, ob ich der neue Meester (Meister) wäre. Sie erkannten zwar, dass ich ein absoluter Neuling war, wußten aber nicht, dass ich nur zur Ausbildung verweilte. Etwa eine Stunde später stand ein 17 Jahre alter, stämmiger und gedrungener Ausländer vor mir, kam ohne zu klopfen in das Stationszimmer und setzte sich vor mir auf meinen Schreibtisch. In einem provozierenden Ton begann er vom Leder zu ziehen, dass er hier der Boss wäre und alle das zu machen hätten, was er sagt. Im Hintergund standen die beiden Kalfis und grinsten. Höflich forderte ich ihn auf, seinen Allerwertesten von meinem Tisch zu entfernen. Er grinste nur und wollte mich am der Krawatte fassen, die damals noch zur äußeren Erscheinung gehörte. Für mich war sofort klar, dass es hier um mehr ging, ich wich zur Seite aus, nahm den Eisenstuhl und nagelte damit den jungen Mann am Schrank des Stationszimmers fest. Dann fragte ich ihn ganz freundlich, ob wir das Gespräch nicht etwas freundlicher gestalten könnten, andersrum hätte ich aber auch gegen einen rauheren Umgangston nichts einzuwenden. Er gab mir zähneknirschend zu verstehen, dass er kein Interesse an einer Eskalation hätte und ich hatte von diesem Moment an meine Ruhe.

Was ich nicht wußte war, dass dieser junge Mann tatsächlich der Anführer dieser jungen Meute war. Da die Kalfis alles mitbekommen hatten, war das sofort im Knast rum. Auch die etablierten Kollegen fragten mich nach dem Hergang, doch ich stellte mich ahnungslos und gab an, dass überhaupt nichts passiert sei. Ich gab damit zu verstehen, dass ich auch meine Schnauze halten kann und dieser kleine Vorfall nicht an die große Glocke gehängt wurde. So bekam ich ohne was zu sagen einen Kaffee zur Begrüßung, meine Uniformjacke wurde jeden Tag gebürstet und jedermann war freundlich... Ich hatte mich angepaßt. Gewalt gegen Gewalt, nur der Starke wird anerkannt.

Wenn man im Frühdienst die Gebäude des Zellentraktes betritt, wird man immer wieder (und das ging mir in jedem Knast so) von einem ganz bestimmten Geruch empfangen. Diesen Geruch kann man ausschließlich morgens und im Herbst/Winter wahrnehmen, da nahezu alle Fenster geschlossen sind. Es handelt sich um einen Geruch aus verbrauchter Luft, schwarzen Krausen, Schweiß und anderen unangenehmen Körpergerüchen. Wenn man zum Frühdienst noch nicht so richtig wach war, spätestens jetzt ist man hellwach, denn dieser Geruch sticht unangenehm in der Nase.

Der Frühdienst besteht im allgemeinen aus dem Wecken der Hausarbeiter, der Kontrolle der Inhaftierten ob sie noch leben. Dann muß man mit den Kalfis in den Küchenbereich das Frühstück holen gehen, die schon vorher die Thermoskannen der Knackis mit Heißwasser für den Kaffee füllen. Beim öffnen der Zellentüren werden bei Bedarf sogenannte "Vormelder" von den Knackis für den Besuch von Arzt, Hauskammer, tätigen eines Telefongespräches beim Sozialarbeiter usw. herausgegeben. In diesem Jugendknast bleiben die Zellentüren offen, in Tempelhof in der U-Haft-Anstalt z.B. aus Sicherheitsgründen den ganzen Tag zu. Nur zum Hofgang werden die Knackis herausgelassen und für eine Stunde an die frische Luft gelassen.

Im Frühdienst war eines Tages Zellenkontrolle angesagt. Früh morgens wird vom Zentralbeamten festgelegt, welche Station "gefilzt" wird. Dann gehen alle diensthabenden Beamten auf diese Station und nehmen alles auseinander, was nicht niet- und nagelfest ist. Sämtliche Betten werden abgezogen, alle Schränke ausgeräumt, Privatsachen zerlegt und jedes einzelne Kleidungsstück, egal ob getragen oder nicht, wird durchsucht. Gesucht wird alles, was in dieser Subkultur verboten ist: Waffen, Messer, Rauschgift, elektrische Geräte, Bargeld, Alk, Spritzen usw. Vorhanden ist fast alles, doch gefunden wird kaum etwas. Schätzungen gehen davon aus, dass allein in Tegel ca. 4 Millionen Bargeld im Umlauf sind. Bei einem Häftling fanden die Kollegen "Aufgesetzten". Aufgesetzter ist ein aus Wasser, Zucker und Brot bestehendes Gebräu, welches über längere Zeit durch Gärung recht große Alkoholkonzentrationen erreicht, aber schmeckt wie Laterne ganz unten und fürchterlich in der Birne knallt. Davon fanden wir einen ganzen Eimer und stellten ihn sicher. Dann fanden wir noch ein spitz geschliffenes Messer. Dies war weit weniger komisch, denn so ein Ding in den Händen eines jähzornigen Jugendlichen kann recht unangenehme Folgen haben. Danach durften die Probanden duschen und ich hatte mein nächstes Erlebnis:

Ein 14jähriger sollte von zwei 18jährigen anal und oral vernascht werden, was ein fürchterliches Geschrei verursachte, denn der Auserwählte hatte etwas gegen solche Annäherungsversuche und wehrte sich. Der zuständige Beamte sagte zu mir, dass solche Situationen immer wieder vorkämen und er geflissentlich weghöre. Nun, ich hörte nicht weg und ging dazwischen, indem ich alle Duschen mit kaltem Wasser öffnete und so die Gemüter erheblich abkühlte. Dies brachte mir nicht nur Zustimmung ein, sondern auch eine völlig durchnäßte Uniform. Zu einem späteren Zeitpunkt haben sie ihm dann doch einen verbraten, meine Bemühungen waren also umsonst. Später habe ich dann festgestellt, dass Gewalt unter den Knackis an der Tagesordnung ist und nur selten so greifbar ist wie in dem geschilderten Fall. Prostitution von männlichen Knackis gibt es genau so wie brutale Überfälle.

Ich nutzte den Frühdienst ausgiebig zum Studium der Akten der Probanden und kam zu dem Schluß, dass ich hier wirklich den Schrott der Gesellschaft vor mir hatte. Die Akten lasen sich ausnahmslos wie real gewordene Horrorfilme und wiesen in allen Fällen eine traurige Karriere auf, die mit Sicherheit immer im Knast enden würde oder mit einem gewalttätigen, vorzeitigen Ende. Viele derer, die nach dem Jugendstrafrecht verurteilt wurden und eigentlich recht glimpfliche Strafen erhielten, sah ich später im regulären Vollzug. Es waren teilweise erschütternde Geschichten, wo diese Kinder immer nur vom Schicksal durch Heime und Umwelt geprügelt wurden. Das heiße Eisen "Sozialisierung" war praktisch nicht vorhanden, diese Kinder kannten kein Sozialverhalten und würden es im Knast auch nie kennenlernen. So konnte ich schon damals die Strukturen des Jugendgerichtsgesetzes und des Strafvollzugsgesetzes im Ansatz als völlig unbrauchbar durchschauen. Sinn dieser Gesetze war und ist es noch heute, die Gefangenen zu resozialisieren. Doch wie kann man solche Probanden resozialisieren, wenn sie außer Gewalt und Egoismus überhaupt kein Sozialverhalten kannten?

Langsam näherte sich mein Praktikum dem Ende und ich kam zu dem Schluß, dass nirgendwo solche gravierende Differenzen zwischen Theorie und Praxis existieren wie in den Bereichen der Justiz. Mit einer gehörigen Portion Wut im Bauch über die nach meiner Meinung völlig unzureichende Vorbereitung kehrte ich zurück in den Schulalltag mit der bitteren Erfahrung, dass abolut niemand in der Lage ist, hier den Teufelskreis der Gewalt und Kriminalität wirksam zu durchbrechen.


Aus der © ChatNoir Mailbox: www.chatnoir.de und online unter diesen Rufnummern
Erste Veröffentlichung: 19.9.98 von Wolfi
[Kommentar zu diesem Text in Forum "Meine wahre Geschichte" schreiben]
[Forum "Meine wahre Geschichte" lesen]
 
[Forum junger Autoren]
[Home]