Ein SIEMENS-Fragment

Copyright © 1998 Miron Schmidt.
Revision 4.
Geschrieben während meines SIEMENS-Praktikums 1993. Unter Mithilfe von Andreas Haidinger.

Schrotty rauschte am Fenster vorbei. Schrotty rauschte ständig am Fenster vorbei. Ich weiß heute nicht mehr, ob ich ohne dieses ständige Element der Zerstreuung den Lehrgang überstanden hätte, aber in jedem Fall zauberte es ein Grinsen auf sämtliche Gesichter. ``Schrotty! Schrotty!'' würde man täglich hören, lauschte man an der Tür zum Unterrichtsraum.

--Schrotty war der King, der Master, der Gott, der BILD-gebildete Gott.

Fand unser Lieblingsausbilder niemanden, den er anmeckern oder anSCHWAeRZen konnte, so blieb ihm ja immer noch das Telefon, um neue Energie zu tanken. Energie, die er dringend benötigte, um jemanden anmeckern oder anSCHWAeRZen zu können. Energie, mittels derer er überhaupt nur weiterexistieren konnte.

Seine Existenz bestand in erster Linie darin, den Praktikanten plastisch darzustellen, daß sie der letzte Dreck waren. Verstand einer das nicht auf Anhieb--Entlassungspapiere waren neben jeder Machine bereits fertig ausgefüllt abgelegt.

So konnte man Schrotty bei längerer Observation mit schwach angedeutetem Grinsen auf einem Häufchen zerrissenen Papiers auf- und abspringen sehen, Obszönitten schreiend.

Ende Februar '93 war es dann soweit--wir alle: Meine Freunde David, Schmoll und ich kamen in die Maschinenausbildung zu Schrotty. Nun gab es keine trennenden Glasscheiben mehr, die uns vor Schrottys Wut- und Speichelausbrüchen schützen würden.

Vielmehr, wenn er mit hochrotem Kopf vor uns ausspuckte und uns mit fauligem Atem des Zuspätkommens bezichtigte, konnten wir nur betreten auf den Boden starren und uns auf die Zunge beißen, um nicht in minutenlange Lachkrämpfe auszubrechen.


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