Flugzeug am Himmel

Copyright © 1998 Miron Schmidt.
Revision 2.
Geschrieben am 29.12.1998.

Schenk mir diesen letzten Kuß.

Oh, habe ich es dir nie erzählt? --So wenig Zeit. Die Sekunden verstreichen. Die Jahre verstreichen.

Nicht weinen, nicht, bitte. Es wird schnell gehen, und wir sind doch zusammen.

Du wußtest es wirklich nicht? Es ist nie zu spät, oder? Komm her; so. Leg deinen Kopf... ja. Letzte Eindrücke: deine Brust an meiner, deine Hand zitternd in meinem Rücken, dein Gesicht an meinem Hals, deine Tränen auf meiner Schulter. Meine Lippen in deinem Haar. Jetzt ist es gut.

Ich bin ruhig; vielleicht drücke ich dich zu fest an mich. Ein kurzer Ruck, Schwerelosigkeit. Die anderen schreien: weit weg von uns.

Du bist leicht--so, wie ich mich fühle.

Die letzte Strecke.

Wie seltsam: jahrelang im selben Raum, und nie war der Zeitpunkt der richtige. Immer habe ich verdrängt. Jedes zufällige Lächeln hielt mich Monate wach. Jedes Wort haftete an meinem Herzen, bis es zu bersten drohte.

Jahre.

Deine Telefonnummer: ungewählt in meinem Buch. Dein Bild: eingerahmt neben meinem Bett; unscharf, aussortiert, das einzige, das ich je zu behalten gewagt hatte.

Die Geschäftsreise, nur du und ich, war auch nicht der rechte Zeitpunkt.

Müssen wir erst sterben, ehe wir begreifen, daß nie alle Sterne perfekt stehen? Wir tun es jetzt.

Es ist soweit, diesmal wirklich. Das Wasser, die Masken, die Schreie. Rote Gesichter: so ähnlich. Umklammerungen, Abschiede. Bewegung. Dröhnen, Brüllen, tiefer, näher dem Wasser.

Der Aufprall.

Und etwas folgt darauf.


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