Der Staub

Copyright © 1998 Miron Schmidt.
Revision 4.
Geschrieben vermutlich 1988.

Es ist der reinste Horror!

Ich krieche durch endlose Gänge, über und über von Spinnenweben und Staub, riesigen Mengen Staub bedeckt. Obwohl ich fette Spinnen über meinen Rücken kriechen fühle, macht mir das doch nicht halb soviel aus wie dieser fürchterliche STAUB, der meinen ganzen Körper umhüllt wie ein Leichentuch!!

Wie es dazu gekommen war?

Am 28.11.1988 saß ich nichtsahnend vor meinem Amiga und tippte die neue Horrorstory für die Chat Noire ein, die ich dann uploaden wollte. Geniale Ideen überfielen mein Hirn, und die Worte flossen nur so aus meinen Fingern.

In diesem Moment geschah es!

Der Bildschirm blitzte auf, in einer Farbe, die ich nicht zu beschreiben wage, weil sie so krankhaft, wahnsinnig war, daß jedes normale Gehirn beim blossen Betrachten in Krämpfe verfällt, sich eine Denksperre bildet.

So ging es auch mir.

Diese Denksperre löste sich erst, als ich mich in einem Wald auf klebrigen Blättern, zwischen riesigen, stinkenden Pilzen wiederfand.

Die Luft war stickig und mit eben diesem widerlichen Pilzgestank geschwängert. Mir wurde kotzübel, und ich übergab mich an den nächsten Baum. Als ich aufblickte, war ich mit einemmal von Reitern in schmutzigen Lederrüstungen umzingelt, die ihre Speere auf mich gerichtet hielten. Einer von ihnen, der Anführer, wie mir schien, bedeutete mir stumm, ihm zu folgen. Ich wischte mir mit einer fahrigen Bewegung die nassen Haare aus der Stirn--denn es regnete, wie mir jetzt auffiel--und folgte ihm einige Schritte, immer der Speere gewahr, die sich förmlich in meinen Rücken bohrten. Gleich hinter einer dichten Baumgruppe, die mit schleimigem Moos bewachsen war, sah ich die Stadt der Ritter und begann nun, mir Gedanken zu machen, unter welchen verrückten Bedingungen ich in diese Geschichte hineingeraten war. In Gedanken versunken, folgte ich dem Führer bis durch das Tor der gigantischen Stadtmauern. Dort faßte ich einen Entschluß. Ich mußte in einen Traum geraten sein! Also--was lag näher, als einfach wieder aufzuwachen, indem ich mich von den Reitern töten ließ? Ich machte einen schnellen Ausfall nach rechts, in eine dunkle Seitengasse, als mich der Speer traf. Einer der Wächter hatte ihn geschleudert, und er bohrte sich tief in meinen Oberschenkel. Wellen des Schmerzes überfielen mich.

Als ich erwachte, war ich heilfroh. Es mußte sich also doch um einen Traum gehandelt haben. Ich richtete mich auf--und stellte in der Mitte der Bewegung fest, dass ich an ein stabiles Brett gekettet war. Trotzdem konnte ich einen Blick meinen Körper herab werfen, der mir die Gewißheit gab, daß 1) ich nackt war und 2) der Schaft immer noch aus meinem Bein ragte. Ich begann zu schluchzen.

Wie war so etwas nur möglich? Eben hatte ich noch getippt, und jetzt, wenige Minuten... da durchschoss mich ein siedendheißer Gedanke! Vielleicht waren es gar nicht wenige Minuten... vielleicht war ich schon seit Tagen in diesem kalten, spärlich beleuchteten Verließ\ eingesperrt... vielleicht war ich wochenlang ohnmächtig gewesen?

In diesem Moment wurde ich des Schattens gewahr, der am Fußende meines Brettes stand. Ich schluckte. Dieser Mann war in eine schwarze Kapuze gehüllt, die nur Platz für seine Augen offenliess.

Es musste sich dabei um einen Folterknecht handeln. Ich warf meinen Kopf nach links... und starrte genau in das Gesicht des Soldaten (?), der mich hierher gebracht hatte. Er nickte leicht mit dem Kopf, worauf der Folterknecht begann, an einem großen Rad zu drehen.

Zuerst bemerkte ich keine Veränderung, dann stellte ich fest, daß meine Bewegungsfreiheit immer mehr nachließ, und daß meine Arme nach oben, meine Beine nach unten gezogen wurden.

Ich bruellte verzweifelt: ``Was wollt ihr denn von mir? Ich weiß nicht einmal, was mir vorgeworfen wird!!!''

Der Soldat (?) hob den Arm, worauf der Knecht sofort innehielt. Er beugte sich über mich, bis ich seinen säuerlichen Atem riechen konnte, und zischte mir zu: ``Du sagen, was wir hören wollen, dann ich dich lasse laufen, du Schwein!'' Seine Augen blitzten vor Haß und Mordlust.

``Und was wollt ihr hören?'', fragte ich matt.

``Wo ist die Karte?''

``Was für eine Karte?''

Er brüllte etwas in einer mir unverständlichen Sprache, und ich spürte, wie sich mein Brustkorb weiter dehnte und die Muskeln meiner Schulter bis aufs Äußerste gespannt wurden. ``Ich kenne keine Karte!'' Ich schrie so laut, weil ich es für die einzige Möglichkeit hielt, den Schmerzen, den echten Schmerzen zu entgehen.

Der Knecht stoppte das Rad.

``Du bist hier irgendwie gekommen.'', sagte der Soldat (?).

``Ich bin was?'' Ich verstand wirklich nicht, was er sagen wollte.

``Ich breche dir jede Knochen in Körper, wenn du nicht Antworten gibst!''

Er mußte gemeint haben, daß ich hier irgenwie hergekommen war.

``Ich weiß selbst nicht, wie ich hier reingeraten bin'', stöhnte ich daher.

``Erinnere dich!'' Er schrie dem Foltermeister etwas zu.

Ich hatte das Gefühl, jeder Muskel von meiner Schulter bis zu den Oberschenkel zerriß. In meiner Wirbelsäule breiteten sich furchtbare Schmerzen aus. Dann verließen beide den Raum, das Rad drehte sich ein Stück zurueck, und die Schmerzen ließen etwas nach.

Während der Soldat und der Folterknecht sich lautstark berieten, überlegte ich, wie ich von hier entkommen konnte. Ich drehte den Kopf und untersuchte die Riemen, mit denen ich befestigt war, genau. Dabei fiel mir etwas ins Auge, was meine Gedanken noch beflügelte: Ein Kessel mit glühenden Kohlen, in dem einige Zangen erhitzt wurden.

Ich zerrte an meinen Handgelenken, aber die Riemen waren zu stark zum Zerreißen. Dann versuchte ich, meine Hand aus der Schlaufe zu winden, und--siehe da--es ging!!!

Ich konnte so eine der Zangen erreichen und meine Fußbefestigungen freibrennen. Da hörte ich die Stimmen von draußen auch schon lauter werden; die beiden kamen zurück.

Ich nahm ein weiteres Instrument aus dem Kessel, eine Art Schürhaken, und baute mich breitbeinig vor der Tür auf. Als der Soldat (?) hereinkam, zog ich ihm mit dem Haken über den Kopf. Nicht fest genug, denn er schrie laut auf, aber immer noch Sehr Fest, denn ich sah das Blut hochspritzen und hörte ein deutliches Knacken. Ich schlug noch einmal zu, und der Mann sank zusammen. Schnell sprang ich hinter die Tür, hörte aber leider nur noch sich schnell entfernende Schritte. Der Folterknecht war auf dem Weg, Hilfe zu holen.

Schnell entkleidete ich den Mann, zog mir seine Rüstung über die nackte Haut, denn die Leinenunterkleidung stank so erbärmlich, daß ich es nicht schaffte, sie anzuziehen, nahm mir sein Schwert und untersuchte mit spitzen Fingern die Taschen seiner Hose, wo ich nichts fand.

Fast wollte ich schon gehen, da fiel mir ein Brustbeutel auf, der sich bei meinem Schlag gelöst hatte und nun auf dem Boden lag. Ich nahm ihn an mich, ohne seinen Inhalt zu begutachten und rannte aus der Tür. Links neben mir fand ich einen niedrigen Gang, den ich entlangeilte, so schnell ich auf den Knien eilen konnte.

Nach etwa fünfzig Metern bemerkte ich den S T A U B , aber es war zu spät zum Umkehren. Es klebte an den Wänden und war von einer so unbeschreiblich ekelhaften Konsistenz, daß ich beinahe auf der Stelle umgefallen wäre.

So quälte ich mich weiter, bis--ja... bis jetzt!

Und jetzt bin ich immer noch in diesem Gang, mit dem STAUB bedeckt, der sich nicht mehr lösen läßt, und ich habe das Gefühl, als wäre es unmöglich, aus dieser Falle zu entkommen. Ich schreibe den Text nieder. Vielleicht komme ich ja nochmal in die Echte Welt. Aber ich fürchte, der STAUB wird mich vorher töten. Er saugt mir die Seele aus dem Leib.

Der STAUB.

Der STAUB.

Der STauB.

Der STauB.

Der STaUb.

Ich denke nichtdaßichdasüberlebedennderstaubwirdm ichvorhertötende rstaubsaugtmirdie seeleausdemleibdersta ubderstaubderstaubd erstaubderstaub derstaub derstaubderstaubderstaub...


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