Das Spiel der Mächtigen

Eine vielleicht wahre Begebenheit. Copyright © 1998 Miron Schmidt.
Revision 3.
Geschrieben 1989-1990.

I. Jardok und Nas'mil. Als das Spiel begann.

Ein leichtes Lächeln auf den Lippen, schob Jardok mit dem Fingernagel des linken Zeigefingers eine Figur vor. ``Eine Division auf 33!''

Nas'mil hob erstaunt eine Augenbraue. ``Du solltest dein Leben decken.''

Jardok blickte an ihm vorbei, durch das riesige Fenster mit den seidenen Vorhängen, einen vorbeisegelnden Raubvogel beobachtend.

II. Juvides.

Als Juvides wie alle anderen der Division den kurzen Trompetenstoß\ vernahm, fühlte auch er wie alle anderen eine gewisse Erleichterung aufkommen. Das Warten war vorbei; nun würde er seine Künste beweisen können. Er nickte Dainos zu, der seinen Speer schulterte und ihm ein schiefes Grinsen zukommen ließ.

Als Juvides gegen das grelle Sonnenlicht den Palast beobachtete, konnte er wie erwartet die Köpfe der Mächtigen erkennen, die die korrekte Ausführung ihrer Befehle überwachten. Er prüfte mit dem Daumen die Schärfe seiner Klinge und schob sie in die Scheide.

Langsam setzte sich der ganze Trupp in Bewegung. Juvides konnte kurze Stoßgebete hören, ebenso wie Lieder, die den Mut der Soldaten festigen sollten. Er selbst hatte die Lippen zu einem festen Strich zusammengepreßt und trottete stumm neben Dainos, Lonnedan und dem jungen und stolzen Essur her. Und da waren sie auch schon; die schwarzen Rüstungen der Gegner hoben sich von dem weißen Untergrund deutlich ab.

Juvides zog sein Schwert und hieb es dem ersten Angreifer zentimentertief durch das Schulterblatt.

III. Jardok und Nas'mil.

Nas'mil wandte sich ab. Gemächlichen Schrittes ging er auf das groe Spielbrett zu. ``Eine Division nach 24!'' Nun war er an der Reihe zu lächeln. Jardok zählte entsetzt die Felddistanz zu seinem Turm. Vier. Er hatte bereits in seinem ersten Zug einen Fehler begangen.

IV. Herdon.

Die weiße Armee funkelte im Licht der untergehenden Sonne. Als Herdon einen Blick auf seine Rüstung warf, sah er enttäuscht, daß das schwarze Metall keine Reflexionen warf. Auch sein Schwert war aus einem solchen Metall gefertigt. Er erinnerte sich nur dumpf an das Herstellungsverfahren, nach dem die Farbe auf das ursprünglich gelblich-silberne Metall aufgetragen wurde. Nach seiner spärlichen Schulausbildung war er Soldat geworden. Er wußte, daß er dazu beitrug, den Ruhm seines Landes zu verteidigen. Nachdem der Krieg abgeschafft worden war, wurden die Kämpfe auf einem Spielfeld ausgetragen. Die Mächtigen aber, die Mächtigen... Seine Gedanken wurden durch das Kreischen eines verstümmelten Pferdes zerrissen. Er zog sein schwarzes Schwert.

V. Jardok und Nas'mil. In der Enge.

Jardok schob zwei weiße Steine auf ein Feld direkt vor seinem Turm. ``Armeenzusammenführung auf 16!''

Beide begutachteten die Truppenbewegungen vor dem Fenster. Nas'mil, den Blick starr geradeaus gerichtet, summte eine kleine Melodie, die Jardok unbekannt war. ``Was tust du, wenn du dieses Spiel gewinnst?'', fragte er.

Jardok zuckte die Schultern. Beide begaben sich wieder an das Spielbrett. ``Dein Land käme mir sehr zugute. Du weißt, wie die Hungersnöte sich bei mir ausbreiten.'' -- ``Du hättest deine Truppen sammeln sollen.'', bemerkte Nas'mil trocken. ``Kavallerie von 14 auf 16!''

VI. Hylailas.

Hylailas galoppierte an der Spitze seiner Truppe in das weiße Lager. Bereits jetzt konnte man erkennen, wie auch dort die Truppen mobilisiert wurden. Es handelte sich um eine große Armee. Er schätzte 12000 Fußsoldaten und 1000 Pferde. Aber selbst diese Armee würde gegen seine 5500 Reiter und 20 Kanoniere keine Chance haben.

Er gab einen Armbrustpfeil ab, sah einen der weißen Soldaten fallen. Etwa 2000 seiner Gefolgen taten es ihm gleich, und selbst, da nicht alle ihr Ziel trafen, war das Ergebnis verheerend. Hylailas nahm seine gewaltige Streitaxt aus der Satteltasche und verzog sein narbiges Gesicht zu einem grimmigen Lächeln.

VII. Jardok und Nas'mil.

Jardok ließ die Schultern hängen. Resigniert tippte er seinen zierlichen Turm an, der sofort umfiel. Er versuchte ein spöttisches Lachen, das ihm zu einem irren Gekrächze mißlang.

Nas'mil sah ihn mitleidig an, ließ seinen Blick lange ruhen. Dann, leise, so daß es kaum noch ein Ruf war, rief er den Henker herein. Es war ein kurzer Kampf gewesen.

ENDE.

Ende? Hat dieses Spiel denn eines?


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